Archiv der Kategorie: Coleoptera

Kleinster Käfer Europas genetisch erfasst

Mit knapp 0.5 mm ist der Käfer Baranowskiella ehnstromi der kleinste Käfer Europas. Neben dem Käfer zum Größenvergleich ein menschliches Haar

Mit knapp 0.5 mm ist der Käfer Baranowskiella ehnstromi der kleinste Käfer Europas. Neben dem Käfer zum Größenvergleich ein menschliches Haar

Die kleinste Käferart Europas ist der weniger als einen halben Millimeter messende Zwergkäfer oder Federflügler mit dem wissenschaftlichen Namen Baranowskiella ehnstromi. Forschern der Zoologischen Staatsammlung München gelang es, in wahrer Detektivarbeit mehrere Exemplare des Käfers zu finden. Im Labor konnten sie erstmals seinen Gen-Code entschlüsseln und im Internet als sogenannten DNA-Barcode für alle Wissenschaftler weltweit kostenlos verfügbar machen.

Der Käferkundler Mikael Sörensson entdeckte die Art erst 1997 in seinem Heimatland Schweden. Inzwischen gibt es auch Funde aus Norwegen, Dänemark, der Schweiz und Österreich sowie auch aus Deutschland. Der Zwergkäfer entzog sich lange dem Zugriff der Wissenschaftler, weil das winzige Tier – es ist nur ein Zehntel Millimeter breit und damit so dünn wie ein menschliches Haar – in den Poren von Baumpilzen lebt, von deren mikroskopisch kleinen Sporen es sich ernährt. Hier bevorzugt es vor allem den muschelförmigen Feuerschwamm, der wiederum parasitisch an Weiden lebt.

Der Käferkundler Franz Wachtel bei der Suche nach dem Käfer.

Der Käferkundler Franz Wachtel bei der Suche nach dem Käfer.

Der Erstnachweis der Art für Bayern gelang dem erfahrenen Käferforscher Franz Wachtel. In einem Weidenurwald in den Isarauen südlich des Georgensteins spürte er den Käfer auf, indem er Baumpilze einsammelte und diese dann im Labor austrocknen ließ. Die Käfer sammelten sich in einer darunter befindlichen Schale. “Mit dieser Methode lässt sich der Zwergkäfer von Experten relativ leicht finden. Weitere Untersuchungen dürften zeigen, dass er in weiten Teilen Mitteleuropas im Verbreitungsgebiet seines Wirtspilzes vorkommt”, fasst Dr. Lars Hendrich, Käferexperte an der Zoologischen Staatsammlung München, den bisherigen Wissenstand zusammen.

Die Gensequenzierung erfolgte im Rahmen der Projekte “Barcoding Fauna Bavarica” und “German Barcode of Life”, bei denen alle deutschen Tierarten genetisch erfasst und in einer globalen Online-Bibliothek für Interessenten zur Verfügung gestellt werden. Das Projekt ist Teil des internationalen Barcoding-Projektes iBOL mit Sitz in Kanada, welches das ehrgeizige Ziel verfolgt, alle Tierarten weltweit genetisch zu erfassen. Oliver Hawlitschek, Projektkoordinator in München, beschreibt den Zweck des Projektes: “Insbesondere  bei kleinen und selten beobachteten Insekten wie dem Zwergkäfer erleichtert die Methode den Wissenschaftlern die Arbeit enorm, da solche Arten ohne genetische Hilfe meist nur von einer Handvoll Experten weltweit identifiziert werden können und so zum Beispiel bei Naturschutzprojekten kaum Beachtung fanden”. DNA-Barcoding soll das in Zukunft ändern.

101 neue Rüsselkäferarten auf einen Schlag!

Tropische Regenwälder sind für Ihre hohe biologische Vielfalt bekannt, die aus unzähligen Arten besteht, viele davon noch unentdeckt und ohne wissenschaftlichen Namen. Ein Großteil dieser unbekannten Lebensformen auf unserer Erde zählt zu den Insekten, insbesondere den Käfern.
Den Insektenforschern Alexander Riedel (Staatliches Museum für Naturkunde Karlsruhe) und Michael Balke (Zoologische Staatssammlung München) ist dies sehr wohl bekannt, denn sie sind Experten für die Faunen entlegener Urwaldgebiete wie z.B. Neuguinea. Jetzt kamen sie aber an einen besonderen Fall, die Rüsselkäfer-Gattung Trigonopterus welche man wirklich “hyperdivers” nennen muss: Hunderte verschiedener Arten krabbeln durch die Regenwälder dieser tropischen Insel und die meisten wurden noch nie von Wissenschaftlern gesehen.
Mit den bisherigen Methoden würde das ganze Leben der Experten nicht ausreichen, diese riesige Fülle zu beschreiben. Tatsächlich muss auch schnell gehandelt werden, denn die Lebensräume der Käfer verschwinden mit atemberaubendem Tempo und werden durch Ölpalm-Monokulturen ersetzt. Im Kampf um jeden Hektar Regenwald werden gute Argumente gebraucht, die teilweise aufgrund mangelnder Daten noch fehlen.
“Diese Situation erfordert einen neuen Ansatz”, sagt Dr Riedel. “Abschnitte der Rüsselkäfer-DNA wurden sequenziert, was beim Sortieren und der Diagnose der Arten sehr hilfreich war. Außerdem haben wir hochauflösende Aufnahmen von jedem Käfer gemacht und diese zusammen mit kurzen Beschreibungen auf einer Wiki-Seite hinterlegt. Mehr als 100 Arten konnten auf diese Weise sowohl der Wissenschaft als auch der Öffentlichkeit bekannt gemacht werden – ungefähr fünfmal so schnell wie mit der traditionellen Methode!“
Ein weiteres Problem konnte mit einer ebenso innovativen Idee gelöst werden. Um genügend geeignete Namen für die neuen Käferarten zu finden, wurde das Telefonbuch von Papua-Neuguinea als Quelle genutzt. Viele der neuen Arten wurden nach Familien aus den Gelben Seiten Papuas benannt, z. b. Trigonopterus moreaorum, ein Artname der auf dem Familiennamen “Morea” beruht. Einige „Spender“ ahnen vermutlich noch nicht einmal von dieser Ehre – eine Käfer-Art mit dem eigenen Namen im Vorgarten!
Die neuen Arten und die grundsätzliche Idee, wie Biodiversität schneller als bisher erfasst werden kann ist in den Zeitschriften ZooKeys und Frontiers in Zoology beschrieben, beide mit „open access“. So haben auch die Leute in Papua-Neuguinea, deren Namen die Käfer tragen, eine Möglichkeit davon zu erfahren.
Originalquellen:
Riedel A, Sagata K, Surbakti S, Tänzler R & Balke M (2013) One hundred and one new species of Trigonopterus weevils from New Guinea. Zookeys , 280: 1– 150. doi: 10.3897/zookeys.280.3906
Alexander Riedel, Katayo Sagata, Yayuk R. Suhardjono, Rene Tänzler and Michael Balke: Integrative taxonomy on the fast track – towards more sustainability in biodiversity research. Frontiers in Zoology (2013), 10:15. DOI: 10.1186/1742-9994-10-15

ZSM Alumnus entdeckt eine biologische Schraube / ZSM Alumnus detects screwed-up weevils

Der ehemalige ZSM Doktorand Dr. Alexander Riedel entdeckte, daß das Coxa-Trochantergelenk des Rüsselkäfers Trigonopterus oblongus (Pascoe) wie eine Schraube mit Nuss arbeitet.

Im Interview mit M. Balke:

Herr Dr. Riedel, wie kam es zu dieser Entdeckung?

(Riedel): Eine lange Geschichte. Ich war eigentlich auf der Suche nach einem Schlüsselmerkmal, das meinem Studienobjekt, der Gattung Trigonopterus eine so starke Diversivizierung ermöglicht haben könnte. Dabei hatten wir einen Abwehrmechanismus untersucht – eine ziemlich harte Nuss, diesen zu verstehen. Die Entdeckung der “Schraube” war dann gewissermaßen ein interessantes Nebenprodukt. Und dabei hatte auch wieder ein Wissenschaftler der ZSM seine Hände im Spiel. Dr. Frank Glaw gab den entscheidenden Hinweis, diese Sache weiter zu verfolgen.

Diese Arbeit ist für einen Systematiker eher ungewöhnlich. Wie kamen die Kooperationen zustande?

(Riedel): Auch das war ein langer Weg. Mir war klar, dass diese Arbeiten nur sinnvoll mit 3-D-Modellen durchzuführen sind. Als wir hier eine Volontärs-Stelle zu vergeben hatten, entschied ich mich für einen Kandidaten, der diese Technik gut beherrschte – Thomas van de Kamp, der Erstautor dieser Publikation. Dann mußten wir noch Strahlzeit an einem Synchrotron finden. Am ESRF in Grenoble wurde unser Antrag damals abgelehnt. Am ANKA, gleich um die Ecke bei mir in Karlsruhe hatten wir mehr Glück.

Ihr Rat an angehende Taxonomen:

(Riedel): Nun, einmal muss man sehen, dass das Verhältnis Arbeitsaufwand/impact facor bei reiner Alpha-Taxonomie leider recht schlecht ist. Man sollte deshalb am Besten neben der Alpha-Taxonomie noch andere Bereiche abdecken. Und dann kann es auch lohnend sein, an Gruppen zu arbeiten, für die sich sonst niemand interessiert. Die Gattung Trigonopterus war vor kurzem noch nicht mal bei Spezialisten bekannt. Ich denke, das wird sich bald ändern, denn es gibt viele spannde Ansätze, um an dieser Gruppe zu forschen.

A Biological Screw in a Beetle’s Leg
Science 1 July 2011: Vol. 333 no. 6038 p. 52 DOI: 10.1126/science.1204245

Der „Schmalbindige Breitflügel-Tauchkäfer” nach über 25 Jahren erneut in Bayern nachgewiesen !

Graphoderus bilineatus (DeGeer). Foto: Jörg Gebert

Im Rahmen einer Gemeinschaftsexkursion von Mitarbeitern, Doktoranden und Postdoktoranden der Zoologischen Staatssammlung, im April 2011, konnte dieser in ganz Deutschland sehr seltene und stark gefährdete Schwimmkäfer an einem seiner historischen bayerischen Fundorte nach über 25 Jahren erneut nachgewiesen werden!

Nach ersten Erkenntnissen, basierend auf historischen Sammlungsbelegen der ZSM, handelt es sich bei dem isolierten Vorkommen um eine kleine, aber anscheinend über viele Jahrzehnte stabile Population. Der deutsche Name „Schmalbindiger Breitflügel-Tauchkäfer” wurde erst vor wenigen Jahren im Rahmen der FFH-Arten Diskussion eingeführt. Graphoderus bilineatus ist eine Charakterart für schwach bis mäßig Nährstoff führende, bis zu einem Meter tiefe, größere Standgewässer mit pflanzenreichen Uferzonen wie z. B. Flachseen, Altarme, Moorweiher, Teiche und Gräben, sowie Kies- und renaturierte Kohlegrubengewässer. Der Schmalbindige Breitflügel-Tauchkäfer ist eine eurosibirische Art, die von Mittel- und Nordeuropa ostwärts bis Westsibirien verbreitet ist. Zahlreiche historische Fundmeldungen  belegen, dass G. bilineatus in Deutschland einst weit verbreitet und nicht selten war. Nach 1990 ist G. bilineatus allerdings lediglich an 30 Fundorten in sieben Bundesländern nachgewiesen worden. Trotz der noch immer lückenhaften Kenntnisse über die rezente Verbreitung dieses Käfers, kann davon ausgegangen werden, dass G. bilineatus seine Schwerpunktverbreitung in der heutigen Bundesrepublik im Norden und Osten des Landes hat (Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt). Die uns vorliegenden DNA-Sequenzdaten werden es künftig erlauben, auch die Larvalstadien dieser Art eindeutig zu bestimmen.

Der „Schmalbindige Breitflügel-Tauchkäfer” ist eine Art der Flora-Fauna Habitatrichtlinie.

Der Asiatische Marienkäfer (Harmonia axyridis)…

… ist – nomen est omen – ein Käfer aus der Familie der Marienkäfer (Coccinellidae).

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Er wurde aus Ostasien in die USA und dann nach Europa eingeführt, und zwar zur biologischen Schädlingsbekämpfung. Allerdings hat sich die Art sehr stark bei uns ausgebreitet, und frißt nicht nur große Mengen von Blattläusen, sondern auch die Larven anderer, heimischer Marienkäfer:

Herr, die Not ist groß! Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los.” (Goethe, Der Zauberlehrling)

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Diese Art ist besonders variabel in Hinsicht auf die Körperfärbung (siehe Foto rechts oben).
Der Asiatische Marienkäfer wird nun im Herbst besonders augenfällig, da er sich zur Überwinterung teilweise in riesigen Aggregationen an Hauswänden und in Häusern anfindet. Von den Käfern geht keine Gefahr aus. Im Zweifel kann man sie zusammenkehren und im Garten aussetzen.

Mehr Informationen: http://de.wikipedia.org/wiki/Asiatischer_Marienkäfer
Fotos: http://www.entomart.be (©Entomart) und Pudding4brains

Siehe auch: Der Asiatische Marienkäfer, ein Einwanderer mit außergewöhnlichem Krankheits-Schutzschild

Referenz

Riedel, A. & J. Bastian. 2005. Der Asiatische Marienkäfer Harmonia axyridis (Pallas, 1773) (Col., Coccinellidae) – über den Stand seiner Ausbreitung in Mitteleuropa und Hinweise zu seiner Erkennung. Mitteilungen des Entomologischen Vereins Stuttgart 40 (1/2): 117–122.

Genetische Codes für die Wühlgeister

Wer kennt sie nicht – Engerlinge und andere Insektenlarven im Boden, die beim Umgraben ans Tageslicht befördert werden. Doch welche Art wühlt da? Rosenkäfer? Wenn ja, welche Art? Oder sind es Maikäfer? Oder Nashornkäfer? Larven sind nicht immer leicht zu bestimmen. Im Zweifelsfall kann eine DNA Sequenz bei der Bestimmung für Klarheit sorgen. Das Barcoding Fauna Bavarica Projekt schafft die Datengrundlage. Bis Mitte 2011 werden Vergleichsdaten für die meisten “Wühlgeister” vorliegen.BFB_Engerling

Grüß Gott!

Durch eine großzügige Schenkung der nationalen Insektensammlung von Fiji besitzt die ZSM nun ein stattliches Exemplar des Fiji-Riesenbockkäfers. Dies ist die zweitgrößte Käferart der Erde. Unser Dank gilt den Menschen in Fiji!Xixuthrus1

Riesenbockkäfer

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Zum Thema Fijibockkäfer hat Herr Max Kühbandner von der ZSM Käfersammlung einen Schaukasten erstellt, der zum nächsten Tag der offenen Tür zu besichtigen ist. Geplant ist auch eine Ausstellung im Museum für Mensch und Natur in diesem Frühjahr. Körperlänge des Käfers: 12 cm.

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Bürgervereinigung Obermenzing e.V. stiftet Käfer

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Die Bürgervereinigung Obermenzing e.V. hat durch eine großzügige Spende den Ankauf wertvoller asiatischer Laufkäfer für die ZSM ermöglicht. Im Rahmen der 11. R.J.H. Hintelmann Wissenschaftspreisverleihung am 22.1.2010 wird der Vorsitzende der Bürgervereinigung Herr Frieder Vogelsgesang einen Scheck an die ZSM übergeben. Wir danken sehr herzlich für diese Föderung der Sammlungskultur Bayerns. Dadurch erwächst die ZSM Laufkäfersammlung langsam aber sicher zu einer der großen Spezialsammlungen in der Welt!

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From the treasury of the ZSM: historical insect specimens from Brazil

The founder of Zoologische Staatssammlung, Johann Baptist Ritter von Spix, collected a number of zoological objects during 1817-1820. Unfortunately, he died a few years after his return to  Munich and did not have a chance to deal with the insects that he collected. Several years later, J. A. M. Perty described 622 new insect species from Spix’s collection, a large part of which is housed now in the ZSM. The photo shows some of Perty’s species.

Aus der Schatzkammer der ZSM: historische Insekten aus Brasilien

Der Gründer der ZSM, Johann Baptist Ritter von Spix hat in den Jahren 1817-1820 einige zoologische Objekte gesammelt. Leider starb er wenige Jahre nach seiner Heimkehr an einer Tropenkrankheit und konnte die Insekten nicht mehr wissenschaftlich bearbeiten. Diese wurden später von J. A. M. Perty mit insgesamt 622 neuen Arten beschrieben. Große Teile des historischen Materials befinden sich heute in der ZSM, einige davon sind auf dem Foto dargestellt.