Archiv der Kategorie: Barcoding Fauna Bavarica

Neue DNA-Datenbank der Wasserinsekten verbessert Umweltüberwachung

Im Wasser lebende Insekten spielen eine große Rolle als Zeigerarten bei der Beurteilung der Gewässerqualiät von Bächen, Flüssen und Seen. Die Forscher der Zoologischen Staatssammlung München (SNSB-ZSM) veröffentlichten nun eine genetische Arten-Datenbank der Eintags-, Köcher- und Steinfliegen in Deutschland, die das Umweltmonitoring und die Beurteilung von Ökosystemen erleichtern soll.

Eintagsfliege Rhithrogena germanica (Foto: SNSB-ZSM).

Wasserinsekten sind vor allem bei der Bestimmung der Gewässergüte von Fließ- sowie Standgewässern von enormer Bedeutung. Viele Arten speziell der Eintags-, Köcher- und Steinfliegen sind so optimal an ihre Lebensräume angepasst, dass sie äußerst sensibel auf kleinste Veränderungen ihrer Umwelt durch beispielsweise Verschmutzung oder auch klimatische Abweichungen reagieren. Die Reaktion der Insektenfauna auf veränderte Standortbedingungen werden heute oft zum Zwecke des Umweltmonitoring genutzt. Ökologen können durch die Erfassung der vorkommenden Arten und der Artgemeinschaften innerhalb eines Biotops unter anderem Rückschlüsse auf Wasser- oder Bodenqualität ziehen und somit dessen ökologisches Gleichgewicht bewerten.

Leider gestaltet sich die Artbestimmung bei diesen sogenannten Bioindikator- oder Zeigerarten in der Praxis oft sehr schwierig. Vor allem die Larven sind selbst für Experten anhand ihrer äußeren Merkmale kaum zu unterscheiden. Artbestimmungen sind somit meist zeitaufwändig, teuer und oft fehlerhaft.

Forscher der Zoologischen Staatssammlung München geben Ökologen und Umweltgutachtern mit ihrer nun veröffentlichten Gen-Datenbank für Eintags-, Köcher- und Steinfliegen ein wichtiges Werkzeug an die Hand. Im Rahmen ihrer DNA-Barcoding Projekte haben die ZSM Wissenschaftler die genetischen Fingerabdrücke – sogenannte DNA-Barcodes – von über 2600 Exemplaren der Wasserinsekten aus den drei Gruppen erfasst. Diese konnten insgesamt 363 verschiedenen Arten zugeordnet werden, was rund zwei Dritteln aller in Deutschland vorkommenden Arten entspricht. Diese genetische ‚Bibliothek des Lebens‘ dient nun als solide Referenz für zukünftige Artbestimmungen und gibt Ökologen eine schnellere und zuverlässigere Methode zur Identifikation von Indikatorarten an die Hand.

„Die neu von uns aufgestellte DNA-Datenbank beinhaltet alle für ökologische Fragestellungen relevanten Arten“, so Jérôme Morinière, taxonomischer Koordinator an der ZSM, „unser Ziel ist der weitere Ausbau unserer „Bibliothek des Lebens“ und deren Nutzbarkeit für Prozesse im Umwelt- oder Biodiversitätsmonitoring.“

“Nischen im Fokus” – Artenvielfalt im Bayerischen Wald

“Nischen im Fokus” lautet der Titel der neuesten Ausgabe von “aviso – Zeitschrift für Wissenschaft und Kunst” des Bayerischen Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst  – unter anderem mit einem Artikel von Prof. Dr. Gerhard Haszprunar zum Kooperations-Malaisefallen-Projekt der ZSM mit dem Nationalpark Bayerischer Wald.

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Bedrohte Artenvielfalt kennt keine politischen Grenzen: Internationales Forscherteam erfasst DNA-Barcodes europäischer Heuschrecken

Gefleckte Schnarrschrecke (Bryodemella tuberculata). Foto: O. Hawlitschek.

Wissenschaftler aus Deutschland, Österreich und der Schweiz haben in einem Kooperationsprojekt gemeinsam fast 80% der mitteleuropäischen Heuschrecken (Orthoptera) genetisch erfasst und stellen deren Gencodes in einer frei zugänglichen Online-Bibliothek zur Verfügung. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Forscher Anfang dieser Woche.

Zoologen aus drei Ländern und vier großen DNA-Barcoding-Initiativen haben zum weitreichenden Erfolg des Projektes beigetragen: Im Rahmen der „Barcode of Life“-Projekte aus Deutschland (BFB, GBOL), Österreich (ABOL) und der Schweiz (SwissBOL) wurden rund 750 genetische Codes, sogenannte DNA-Barcodes, von Heuschrecken erfasst, die über 120 verschiedenen Arten zugeordnet werden konnten. Dies entspricht fast 80% aller Arten in Mitteleuropa, und sogar annähernd 100% der deutschen Arten. „Für die Erforschung der Biodiversität sind solch groß angelegte Projekte unerlässlich. Nur so können wir die Artenvielfalt effektiv erfassen, und zur Erhaltung beitragen“, so der Projektkoordinator Oliver Hawlitschek von der Zoologischen Staatssammlung München. Allen DNA-Barcoding-Projekten ist eines gemeinsam: Sie verfolgen das ehrgeizige Ziel, die genetischen Fingerabdrücke aller Tierarten der Erde zu erfassen – die globale Online-Datenbank umfasst inzwischen über 160.000 Arten. Mehr Informationen zum Projekt gibt es auf www.barcoding-zsm.de. „Der genetische Barcode oder Fingerabdruck ist auch eine wichtige Basis für die evolutionsbiologische und ökologische Grundlagenforschung“, ergänzt Gerlind Lehmann, eine am Projekt beteiligte Wissenschaftlerin von der Humboldt Universität zu Berlin.

Heuschrecken sind Laien vor allem durch die sprichwörtlichen Heuschreckenplagen bekannt. Noch bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts traten solche Heuschreckenplagen auch in Bayern auf. Heute sind jedoch viele der Arten, die Plagen verursachten, sehr selten geworden, z.B. die Europäische Wanderheuschrecke, die Italienische Schönschrecke oder die Wanstschrecke. Inzwischen sind Heuschrecken in Mitteleuropa auch nicht mehr als Schadinsekten anzusehen. Stattdessen machen sich viele Heuschreckenarten nützlich, indem sie Schadinsekten wie z.B. Blattläuse vertilgen – denn keineswegs  alle Arten sind Vegetarier – oder anderen schutzwürdigen Arten wie dem Weißstorch als Nahrung dienen. Heuschrecken reagieren sehr sensibel auf Veränderungen ihres Lebensraumes. Die Wissenschaftler machen für den Artenschwund vor allem die heutige Kulturlandnutzung verantwortlich: Immer  intensivere Landwirtschaft nimmt den Heuschrecken ihre Lebensräume, vor allem artenreiche Wiesen und Weiden. Auch die Individuenzahlen von Allerweltsarten haben drastisch abgenommen. Die erst kürzlich vom Bayerischen Landesamt für Umwelt aktualisierte Rote Liste der gefährdeten Arten bewertet bereits 45% der bayerischen Heuschreckenarten als bestandsgefährdet. Sechs Arten sind zumindest in Bayern schon vollständig ausgestorben. „Gerade Heuschrecken sind für den Naturschutz von besonderer Relevanz“, ergänzt Nikola Szucsich vom österreichischen Barcoding-Projekt ABOL, „denn sie sind typisch für selten gewordene Lebensräume, die auch viele andere bedrohte Arten beherbergen.“

Publikation: Hawlitschek, O., Morinière, J., Lehmann, G.U.C., Lehmann, A.W., Kropf, M., Dunz, A., Glaw, F., Detcharoen, M., Schmidt, S., Hausmann, A., Szucsich, N.U., Caetano-Wyler, S.A., Haszprunar, G. (2016): DNA barcoding of crickets, katydids, and grasshoppers (Orthoptera) from Central Europe with focus on Austria, Germany, and Switzerland. Molecular Ecology Resources. doi: 10.1111/1755-0998.12638

Schädlingen in die Gene geschaut: Über 1000 Pflanzenwespen-Arten genetisch erfasst

Corynis obscura F. in Geranium flower

Keulhornblattwespe Corynis obscura in Storchschnabelblüte (Foto: S. Schmidt)

Die Zoologische Staatssammlung München (SNSB-ZSM) und das Senckenberg Deutsche Entomologische Institut (SDEI) haben einen großen gemeinsamen wissenschaftlichen Erfolg zu verzeichnen. Die Wissenschaftler entschlüsselten nun den genetischen Code von über 1000 Pflanzenwespen-Arten (Symphyten) und stellen diesen in einer Online-DNA-Bibliothek frei zur Verfügung. Ihre Ergebnisse stellen sie diese Woche in einer Publikation vor.

Sie sind zwar nicht so bekannt wie ihre oft schwarz-gelb gefärbten Verwandten aus der Gruppe der ‚echten‘ Wespen, aber zumindest bei Land- und Forstwirten ebenso unbeliebt: Die Pflanzenwespen oder wissenschaftlich Symphyta. Deren gefräßige Larven ernähren sich bis auf wenige Ausnahmen ausschließlich von Pflanzen und einige Arten können in der Land- und Forstwirtschaft sowie im Zierpflanzenanbau großen Schaden anrichten. Anhand der nun entschlüsselten Gencodes, die in einer frei zugänglichen Internet-Bibliothek zur Verfügung stehen, können die Schädlinge in Zukunft rasch und sicher und vor allem bereits in einem frühen Entwicklungsstadium als Larven selbst durch Nicht-Spezialisten identifiziert werden. Die DNA-Datensammlung ist damit auch von großem wirtschaftlichem Nutzen bei der Schädlingsbekämpfung.

Die genetische Erfassung der Pflanzenwespen erfolgte im Rahmen eines Kooperationsprojektes der Zoologischen Staatssammlung München und des Senckenberg Deutschen Entomologischen Instituts in Müncheberg. Insgesamt lagern in diesen beiden Sammlungen weit über 100.000 präparierte Pflanzenwespen. Seit 2010 werteten die Symphyten-Forscher der beiden Institute 5360 Individuen aus, welche 1030 verschiedenen Arten zugeordnet werden konnten, darunter etwa 300 außereuropäische Formen.  „Die Erfassung dieser großen Artenzahl war nur durch die umfangreichen Sammlungsbestände der beiden beteiligten Institutionen und die tatkräftige Unterstützung durch zahlreiche externe Fachkollegen möglich“, freut sich Stefan Schmidt, Sektionsleiter an der ZSM. Jetzt liegen Daten für etwa 600 deutsche Arten vor, das sind 75% der heimischen Pflanzenwespenfauna. „Das Projekt ist ein großer wissenschaftlicher Erfolg und ein Meilenstein auf dem Weg zu einer umfassenden Genbibliothek der Pflanzenwespen, der in Müncheberg weiter beschritten wird“, so Andreas Taeger vom SDEI.

Die Pflanzen- oder auch Sägewespen sind eine von Taxonomen bislang eher vernachlässigte Insektengruppe innerhalb der sogenannten Hautflügler. Grund hierfür ist die oft schwierige Bestimmung der Tiere anhand ihrer äußeren Merkmale, da sich viele Arten auch bei genauerem Hinsehen kaum voneinander unterscheiden oder die Merkmale innerhalb einer Art sehr variabel sind. Für solche Gruppen eignet sich die DNA-Barcoding-Methode zur Artbestimmung ganz besonders. Die genetischen Daten bilden zudem eine wichtige Grundlage für weiterführende Untersuchungen zur Klärung der Taxonomie und Systematik dieser Gruppe. Die Gensequenzierung erfolgte im Rahmen der Projekte “Barcoding Fauna Bavarica” und “German Barcode of Life”. In diesen Projekten erfassen die Münchener Forscher den Gencode aller bayerischen, beziehungsweise deutschen Tierarten in einer Online-Bibliothek und stellen ihn damit für Fachleute zur Verfügung.

Publikation: Schmidt, S., Taeger, A., Morinière, J., Liston, A., Blank, S. M., Kramp, K., Kraus, M., Schmidt, O., Heibo, E., Prous, M., Nyman, T., Malm, T. and Stahlhut, J. (2016), Identification of sawflies and horntails (Hymenoptera, ‘Symphyta’) through DNA barcodes: successes and caveats. Mol Ecol Resour. doi:10.1111/1755-0998.12614

Imagefilm: DNA-Barcoding in Bayern

“Vielfalt erforschen und nutzbar machen” ist Thema des Imagefilms über das DNA-Barcoding an der Zoologischen Staatssammlung München. Die ZSM ist derzeit Europas führendes Institut im DNA-Barcoding und weltweit auf Platz zwei der Probenlieferanten für das internationale Projekt iBOL. Ziel ist nun unter anderem der Sprung von der Grundlagenforschung in die Praxis.

Der Film wurde von Catkin Media produziert und erstmals im November 2015 auf dem Barcoding-Infotag vorgestellt.

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Neue digitale Welten in der Zoologie

barcoding-zsmDie ZSM stellte am 15. Februar 2016 ihre neue Website ins Netz.  Diese ist unter der URL barcoding-zsm.de zu erreichen. Damit wollen die Wissenschaftler ihre Ergebnisse einem breiten Publikum präsentieren und Einblick in ihre aktuelle Arbeit geben. Die Website bietet in anschaulicher und übersichtlicher Form Informationen über sehr viele Arten im Barcoding sowie über bisher erfolgte praktische Anwendungen und Beispiele.

Beim DNA-Barcoding werden bestimmte Gensequenzen einer Tierart auf dem sogenannten Barcoding-Gen oder CO1-Gen erfasst und in einer Online-Bibliothek für Fachleute zur Verfügung gestellt. Diese genetischen Referenzdaten erlauben später eine eindeutige Bestimmung und Zuordnung unbekannter Organismen bis auf Artniveau. Dabei können nicht nur vollständige Tiere, sondern auch Fellreste, Fleischproben oder Larvenstadien von Insekten zweifelsfrei und sehr schnell bestimmt werden. Dies war bisher in vielen Fällen nicht oder nur mit sehr großem Aufwand möglich.

Das Projekt ist Teil des internationalen Barcoding-Projektes iBOL mit Sitz in Kanada. Dieses verfolgt das ehrgeizige Ziel, alle Tierarten weltweit genetisch zu erfassen. Die Münchener Forscher sind die deutschen Projektpartner von iBOL und untersuchen vor allem Tierarten aus Bayern sowie aus den Nachbarregionen.

Das DNA-Barcoding erlaubt viele praktische Anwendungsmöglichkeiten. So können landwirtschaftliche Schädlinge bereits in sehr frühen Larvenstadien erkannt  und damit rasch bekämpft werden. Ein spektakuläres Beispiel ist die Kirschessigfliege, die sich derzeit in Süddeutschland ausbreitet. Dieser gefürchtete Schädling wurde im Rahmen des Barcoding-Projektes erstmalig in Deutschland nachgewiesen. Ein weiterer Fall, der große Aufmerksamkeit erregte, betraf eine Tibet-Urlauberin. Diese brachte einen seltenen Parasiten aus dem Urlaub mit, der unter ihrer Haut sein Unwesen trieb. Mit Hilfe des DNA-Barcoding konnten die Experten diesen als Larve einer zum Glück harmlosen Yak-Dasselfliege identifizieren. Eine ähnliche Entwarnung konnte nach DNA-Analyse im Falle einer Käferlarve (Trichodes apiarius, “Bienenwolf”) gegeben werden, die sich am Hals eines Münchner Babys festgebissen hatte.

In weiteren Kooperationsprojekten untersuchen die Münchener Forscher Fisch- und Fleischproben im Rahmen der Lebensmittelkontrolle, erarbeiten eine Referenzbibliothek für relevante Insekten in der forensischen Entomologie, unterstützen die Nationalparks Bayerischer Wald und Berchtesgaden bei der Analyse von Massenproben durch Next-Generation-Sequencing (NGS) und bauen eine Datenbank mit Zootieren auf. Diese und andere Projekte sind ausführlich auf der neuen Website beschrieben. Die Webseite liefert darüber hinaus eine Gesamtübersicht über die einheimische Fauna mit Fotos und Verbreitungsdaten tausender Arten.

Außerdem kann das DNA-Barcoding auch für die wissenschaftliche Grundlagenforschung verwendet werden. So entdeckten die beteiligten Wissenschaftler bereits mehrere so genannte Zwillingsarten. Dabei handelt es sich um Arten, die sich hinter bereits bekannten Arten verbergen und nun auf genetischem Weg leichter entlarvt werden können. Verschiedene Publikationen in zum Teil hochrangigen wissenschaftlichen Zeitschriften dokumentieren diese Erfolge. Dabei sei vor allem das Barcoding der deutschen Wildbienen- sowie Käferarten erwähnt, welches den Forschern viel Anerkennung einbrachte.

Bayerisches Malaisefallenprojekt

Malaisefalle auf 2000 m Höhe am Schochen in den Allgäuer Alpen.

Malaisefalle auf 2000 m Höhe am Schochen in den Allgäuer Alpen.

Im Rahmen des Projekts “Barcoding Fauna Bavarica” wurden 2011 bis 2014 insgesamt 115 Malaisefallen an 44 Standorten in Bayern und angrenzenden Regionen im süddeutschen Raum aufgestellt. Dabei wurde versucht, möglichst viele verschiedene Lebensraumtypen abzudecken, um so so ein möglichst breites Spektrum verschiedener Arten zu erfassen. In jedem Jahr wurden zwischen 20 und 39 Fallen eingesetzt, die in zweiwöchigem Abstand geleert wurden. Das Projekt brachte insgesamt rund 1.400 Proben, von denen bisher ein Drittel sortiert bzw. bearbeitet wurden. Eine einzelne Malaisefallenprobe enthält dabei bis zu 20.000 Individuen, so dass im gesamten Fangzeitraum von 2001-2014 etwa 30 Millionen Insekten gesammelt wurden.

Schwedisches Vorbild

Die Malaisefalle wurde in den 1930er Jahren von dem schwedischen Insektenforscher René Malaise entwickelt. Es handelt sich um eine hocheffiziente, zeltartige Falle aus Moskitonetz-Gewebe mit einer zentralen Mittelwand und einem schrägen Dach. Die leicht aufzustellende Falle eignet sich besonders zum Fang flugaktiver Insekten, die gegen die Mittelwand fliegen und sich ihres oft positiv phototaktischen Verhaltens an der Mittelwand senkrecht nach oben dem Licht entgegen bewegen. Die Insekten passieren dann eine enge Öffnung an der Spitze der Falle und gelangen in eine Flasche mit einer Flüssigkeit, die mit einem Konservierungsmittel gefüllt ist. Die Positionierung der Falle hat einen großen Einfluss auf das Fangergebnis und die Falle sollte im Idealfall mit der Rückwand an eine Leitstruktur im Gelände (Waldrand, Hecke, Felskante) aufgestellt werden. Heute werden Malaisefallen weltweit zur Erfassung von Insekten eingesetzt denn sie erlaubt es, die Insektendiversität eines Gebietes in kurzer Zeit hocheffizient zu erfassen.

Malaise trap locations 2011-2014

Standort der von 2011-2014 aufgestellten Malaisefallen.

Das bayerische Projekt ist vergleichbar mit dem Schwedischen Malaisefallenprojekt, bei dem von 2003 bis 2005 in ganz Schweden 75 Fallen an 50 Standorten aufgestellt wurden. Die Fallen lieferten insgesamt 2.000 Proben mit schätzungsweise 40 Millionen Insekten. Bis zum Jahr 2009 konnten, obwohl erst 35% der Proben nach Ordnungen sortiert worden waren, bereits über 1.000 für Schweden neue Arten nachgewiesen werden, davon waren rund 50% der Arten neu für die Wissenschaft.

Neue Arten in Bayern

In Deutschland ist Bayern das erste Bundesland, in dem ein derart umfangreiches Malaisefallenprojekt durchgeführt wurde. Die bisherigen Auswertungen ergaben bereits Dutzende von Neunachweisen für Bayern, und es ist mit weiteren Entdeckungen zu rechnen. Darüber hinaus zeichnet sich jetzt bereits ab, dass sich unter den Proben viele bisher unbeschriebene und der Wissenschaft unbekannte Arten befinden. Vor allem bei wenig bearbeiteten und kryptischen Tiergruppen, zu den viele Diptera und Hymenoptera zählen, ist mit hunderten neuer Arten zu rechnen. Aufgrund der hohen Probenqualität (Ethanolkonservierung) können diese Proben nun erstmals auch molekulargenetisch analysiert und somit bestimmbar gemacht werden.

Projekt im Projekt: Nationalpark Bayerischer Wald

Mymar

Mit Malaisefallen werden auch die kleinsten Fliegen, Mücken und Wespen gefangen, wie z.B. die sehr seltene parasi­toide Zwergwespe Mymar pulchellum. Die nur ca. einen Millimeter große Art konnte, obwohl bereits 1832 beschrieben, in Deutschland bisher nur wenige Male nachgewiesen werden. Bei derart kleinen Insekten wird das “Voucher Recovery Protocol” eingesetzt, bei dem die DNA zerstörungsfrei aus dem Insekt extrahiert wird und dieses somit für morphologische Untersuchungen erhalten bleibt.

Als Teil dieses Projektes wurden aus einer einzigen, im Jahr 2012 im Nationalpark Bayerischer Wald betriebenen Malaisefalle knapp 30.000 Individuen am Canadian Centre for DNA Barcoding sequenziert. Die bisherigen Ergebnisse deuten darauf hin, dass die fast 25.000 resultierenden DNA-Sequenzen rund 2.500 Arten zuzuordnen sind. Davon konnten bisher über 1.140 Arten mittels DNA-Barcoding bestimmt werden. Weitere Arten, die bisher nicht genetisch bestimmbar waren, weil noch keine DNA-Barcodes existieren, werden auf klassische Weise durch Spezialisten bearbeitet. Ein Ergebnis, das besonders überrascht hat, ist der hohe Anteil von Arten, die nur durch wenige oder einzelne Individuen auftreten. So sind z.B. bei den Hymenoptera (Bienen und Wespen) die Hälfte der Arten nur durch ein einzelnes Individuum vertreten – ein Hinweis darauf, dass viele Arten deutlich seltener sind als bisher angenommen.

Das Projekt wurde durch die Zusammenarbeit der Zoologischen Staatssammlung mit dem Bayerischen Landesamt für Umwelt einerseits und den bayerischen Naturschutzbehörden andererseits, sowie den Nationalparks in Bayern (insbesondere dem Nationalpark Bayerischer Wald). Die Durchführung des Projektes wäre zudem nicht möglich gewesen ohne die vielen Helfer vor Ort, die für die Betreuung der Fallen verantwortlich waren. Die DNA-Barcoding-Projekte der ZSM werden finanziell unterstützt vom Bayerischen Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung.

Höchster Barcode Deutschlands von der Zugspitze gewonnen

R. Melzer (ZSM)

Foto: R. Melzer

Jörg Spelda, Stefan Friedrich und Roland Melzer, Forscher der Zoologischen Staatssammlung München (ZSM) unternahmen im vergangenen Sommer eine Exkursion auf Deutschlands höchsten Berg, die Zugspitze, mit dem Ziel die dortige Gipfelfauna umfassend zu beproben. Dort fingen sie im Gipfelbereich auf fast 3000 Meter Höhe ein Exemplar des Felsenblümchen-Schleierfalters Plutella geniatella. Dieser seltene Kleinschmetterling ist nur von den höheren Berggipfeln der Alpen und Karpaten bekannt und in Bayern zuletzt im Jahr 1989 beobachtet worden. Das Falter-Exemplar steuert seinen Gencode zum Forschungsprojekt „Barcoding Fauna Bavarica“ bei, mit dem die Münchener Forscher derzeit den Genbestand aller 34.000 Tierarten in Bayern erfassen. “Durch moderne genetische Methoden kann man heute die kompletten Artenbestände ganzer Bundesländer sehr effektiv erfassen. So konnten allein durch das Barcoding in den letzten fünf Jahren mehrere Dutzend Arten als neu für Bayern und Deutschland nachgewiesen werden” sagt Axel Hausmann, Schmetterlingsforscher an der Staatssammlung.

In diesem innovativen Projekt untersuchen Wissenschaftler einen bestimmten Genabschnitt des Cytochrom Oxidase-I Gens und speichern diesen in einer Online-Datenbank ab. Dieser Genabschnitt besitzt für die Art eine ähnliche Bedeutung wie ein Barcode auf einem Produkt im Supermarkt. Mit diesem genetischen Barcode lassen sich später andere Individuen der gleichen Art zweifelsfrei bestimmen. Die bayerischen Forscher konnten bisher 15.000 einheimische Tierarten in die DNA-Bibliothek einstellen.

Das vom Bayerischen Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst finanzierte Projekt „Barcoding Fauna Bavarica“ wurde jetzt um weitere fünf Jahre verlängert, so dass die Wissenschaftler zuversichtlich sind, einen großen Anteil der bayerischen Fauna genetisch erfassen zu können. Die so gewonnenen Daten dienen der Grundlagenforschung oder werden in der Land- oder Forstwirtschaft, in der Naturschutzplanung sowie in der medizinischen Insektenkunde benötigt.

Das bayerische Barcoding-Projekt ist seit 2009 Teil des Verbundprojektes „International Barcode of Life (iBOL)“ mit Sitz in Guelph/Kanada, welches genetische Barcodes aller Tierarten weltweit erfasst, sowie der deutschlandweiten Initiative GBOL (www.bolgermany.de) . Mit der Gendatenbank können Wissenschaftler künftig unbekannte Arten kostengünstig, schnell und zuverlässig identifizieren.

Barcoding Fauna Bavarica Projekt verlängert

Eristalomyia pertinax

Die Schwebfliege Eristalis pertinax – per Gensequenz zweifelsfrei bestimmbar

Das überaus erfolgreiche Projekt “Barcoding Fauna Bavarica” wurde um weitere fünf Jahre bis 2018 verlängert. In der ersten Phase des Projekts konnten bereits über 11.000 Tierarten Bayerns genetisch charakterisiert, d.h. “gebarcoded” werden (siehe faunabavarica.de). Die meisten dieser Arten lassen sich nun schnell und zuverlässig bestimmen. Insgesamt wurden in den ersten fünf Jahren nahezu 50.000 Individuen, zumeist Insekten,  genetisch untersucht.

In der zweiten Projektphase stehen vor allem angewandte Fragestellungen im Vordergrund, insbesondere die Schnittstellen zwischen Biologie, Medizin, und Lebensmittelproduktion. Des weiteren sollen im Rahmen anwendungsbezogener Teilprojekte weitere Organismengruppen einbezogen wie z.B. Pilze, Algen und Flechten. Ein weiterer Aspekt ist die Schaffung eines Internetportals mit Informationen zu bayerischen Tierarten und mit besonderem Bezug auf die Sammlungsbestände der Zoologischen Staatssammlung und die Belegexemplare des DNA-Barcoding. Damit soll der Öffentlichkeit der Zugang zu den Beständen der Staatssammlung erleichtert werden, die mit rund 25 Millionen zoologischen Objekten die mit Abstand größte naturkundliche Sammlung Deutschlands darstellt.

Das Barcoding Fauna Bavarica Projekt wird durch finanzielle Unterstützung des Bayerischen Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst ermöglicht.

Stefan Schmidt

Uhu darf in die Freiheit – dank DNA-Test

Neuer Erfolg im Barcoding-Projekt der Zoologischen Staatsammlung München

Forscher der Zoologischen Staatsammlung München klärten mit Hilfe genetischer Methoden die Herkunft eines Uhus auf. Vor etwa einem Jahr landete die Eule in einer Auffangstation, weil sie im Stadtgebiet von Duisburg und Mülheim/Ruhr offenbar die Nähe zum Menschen suchte und sehr zutraulich wirkte. Wahrscheinlich wurde das Tier von Menschen aufgezogen. Seither lebt der Uhu in einer Greifvogelauffang- und Wiederauswilderungsstation im Sauerland. Das Tier zeigte eine für heimische Uhus untypische Gefiederfarbe. Deshalb vermutete der Leiter dieser Station, Winfried Limpinsel, dass es sich um ein entflogenes Tier einer asiatischen Schwesterart des Uhus handelt. Eine Auswilderung kann unter diesen Voraussetzungen nicht genehmigt werden. Da Naturschützer diese Auswilderung jedoch forderten, wandte sich Dr. Randolph Kricke, Artenschutzbeauftragter vom Amt für Naturschutz und Grünplanung der Stadt Duisburg, an die Zoologische Staatssammlung in München, mit der Bitte, die Herkunft des Tieres festzustellen.

Der Genforscher Jerome Moriniere klärte die Zugehörigkeit des Tieres durch eine genetische Untersuchung eindeutig auf. Dabei verwendete er winzige Gewebeproben aus den Federkielen der Eule und griff zum Vergleich auch auf gespeicherte Genproben in der weltweiten Gen-Datenbank des „Barcoding“-Projektes zurück. Er konnte zeigen, dass es sich bei dem fraglichen Uhu einwandfrei um einen europäischen Uhu (Bubo bubo) handelt und nicht um einen importierten Bengalenuhu (Bubo bengalensis) aus Asien. Das Amt für Umwelt und Grün der Stadt Duisburg prüft derzeit die Chancen, den Uhu auf ein Leben in Freiheit vorzubereiten, oder – falls das nicht gelingt – für ein Zuchtprogramm im Zoo Duisburg einzusetzen.
Beim Projekt „Barcoding Fauna Bavarica“ untersuchen Wissenschaftler der Zoologischen Staatsammlung einen bestimmten Genabschnitt, das so genannte COI-Gen, aller einheimischen Tierarten und speichern diesen in einer Online-Datenbank. Dieser Genabschnitt besitzt dabei für eine Art eine ähnliche Bedeutung wie ein Barcode auf einem Lebensmittel im Supermarkt. Das bayerische Projekt ist seit 2009 Teil des Verbundprojektes „International Barcode of Life (iBOL)“ mit Sitz in Guelph/Kanada, welches genetische Barcodes aller Tierarten weltweit erfasst. Mit dieser Gendatenbank können Wissenschaftler künftig unbekannte Arten kostengünstig, schnell und über das Internet identifizieren. Seit 2012 wird das bayerische Projekt durch das umfassende German Barcode of Life-Projekt in Zusammenarbeit mit mehreren deutschen Forschungsinstituten ergänzt, das nun die gesamte Flora und Fauna Deutschlands im Visier hat.
Der Fall des Duisburger Uhus zeigte beispielhaft, wie das Barcoding künftig funktionieren wird. Experten aus Zoos oder aus anderen Forschungsbereichen kooperieren mit wissenschaftlichen Institutionen wie der Zoologischen Staatsammlung München, um Arten einwandfrei zu identifizieren. Für den Uhu bedeutet dieses Ergebnis zudem einen Fahrschein in die Freiheit, für ihn ein willkommenes Weihnachtsgeschenk.
Der Uhu ist die größte Eulenart der Welt und zählt in Deutschland zu den streng geschützten Vogelarten. Sein Bestand ist in Deutschland vor allem durch Lebensraumverluste stark zurückgegangen. Seit zwei Jahrzehnten erholen sich die Bestände wieder, zudem konnte der Uhu in verschiedenen Regionen Deutschlands neu angesiedelt werden. Auch im Ruhrgebiet ist er auf dem Vormarsch und brütet an der einen oder anderen Stelle bereits wieder.
Ansprechpartner
Jerome Moriniere, Zoologische Staatsammlung München
moriniere@zsm.mwn.de, Tel. 089-8107121
Dr. Randolph Kricke, Amt für Umwelt und Grün, Untere Landschaftsbehörde, Bereich Artenschutz, Stadt Duisburg
(R.Kricke@stadt-duisburg.de), Tel. 0203-283 4695