Archiv des Autors: Katja Henßel

Neue Zeckenart in 100 Millionen Jahre altem Bernstein entdeckt

Sie ist mit einem Alter von rund 100 Millionen Jahren eine der ältesten Zeckenarten der Welt und wurde nach ihrer Herkunft benannt: Amblyomma birmitum. Forscher des Instituts für Mikrobiologie der Bundeswehr haben in Zusammenarbeit mit dem Museum für Naturkunde Berlin und der Zoologischen Staatssammlung München (SNSB-ZSM) die neue Zecke aus Burmesischem Bernstein, dem sogenannten Birmit aus Myanmar, beschrieben. Das Tier aus der Kreidezeit wurde als Einschluss bestens erhalten und ist die bisher älteste Art einer heute noch vorkommenden Zecken-Gattung.

Die Zecke Amblyomma birmitum eingebettet in rund 100 Millionen Jahre altem Burmesischem Bernstein. Foto: Chitimia-Dobler, Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr

Die engsten Verwandten der neuen alten Zecke sind heutige Schildzecken der Gattung , mit weltweit über 130 noch lebenden Arten. Die genaue Bestimmung der hier untersuchten Zecke anhand der typischen Merkmale war ausgesprochen schwierig und gelang der Zeckenexpertin Lidia Chitimia-Dobler vom Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr mithilfe einer Mikroröntgentomographischen Analyse (MikroCT). Die Zoologische Staatssammlung München stellte hierfür neben ihrem MikroCT-Gerät auch ihre langjährige Expertise in der 3D-Visualisierung von Kleinstlebewesen zur Verfügung. Die völlig zerstörungsfreie Untersuchung der inneren und äußeren Strukturen der rund 1,5 mm langen Zecke und deren dreidimensionale Darstellung erlaubte eine exakte Beschreibung der neuen Art.

Bei der Zecke handelt es sich um ein ausgewachsenes Weibchen, das durch ihre Einbettung in Harz vor knapp 100 Millionen Jahren perfekt konserviert wurde. Überraschenderweise fanden sich nicht nur Merkmale der heute noch lebenden Zecken-Gattung Amblyomma, sondern auch typische Merkmale der australischen Gattung Bothricroton. Amblyomma birmitum stellt somit ein seltenes Zwischenstadium in der Evolution der beiden Gattungen dar – ein sogenanntes Missing Link.

Dreidimensionale Darstellung der rund 100 Millionen Jahre alten Bernsteinzecke Amblyomma birmitum an … Foto: Ruthensteiner, SNSB-ZSM

Eine weitere bemerkenswerte Erkenntnis ergibt sich aus dem kreidezeitlichen Alter der Zecke und der Lebensweise der heute lebenden Amblyomma-Arten: Typische Wirtstiere für die nächsten Verwandten der Bernsteinzecke sind hauptsächlich Reptilien. An heutigen Waranen saugen beispielsweise gleich mehrere verschiedene Arten dieser Gattung. „Wir gehen davon aus, dass die neu entdeckte Zeckenart aus dem Burmesischen Bernsteinwald durchaus auch an Dinosauriern gesaugt hat“, so Zeckenspezialistin Lidia Chitimia-Dobler. Ein Szenario wie im Film Jurassic Park ist jedoch ausgeschlossen: Eine DNA-Analyse des Blutes, welches die Zecke zu ihren Lebzeiten von ihrem Wirt gesaugt hat, ist nach so langer Zeit definitiv nicht mehr möglich.

Die erfolgreiche Zusammenarbeit der Wissenschaftler des Mikrobiologischen Instituts der Bundeswehr und der Zoologischen Staatssammlung München soll nun weiter ausgebaut werden: Erst kürzlich wurden mehrere für die Fauna Deutschlands neue Zeckenarten entdeckt. Die Experten der ZSM unterstützen die einschlägigen Untersuchungen durch ihre Erfahrungen in der genetischen Artbestimmung mittels DNA-Barcoding.

Publikation:
CHITIMIA-DOBLER, L., DE ARAUJO, B., RUTHENSTEINER, B., PFEFFER, T., & DUNLOP, J. (2017). Amblyomma birmitum a new species of hard tick in Burmese amber. Parasitology, 1-8. doi:10.1017/S0031182017000853

Neue DNA-Datenbank der Wasserinsekten verbessert Umweltüberwachung

Im Wasser lebende Insekten spielen eine große Rolle als Zeigerarten bei der Beurteilung der Gewässerqualiät von Bächen, Flüssen und Seen. Die Forscher der Zoologischen Staatssammlung München (SNSB-ZSM) veröffentlichten nun eine genetische Arten-Datenbank der Eintags-, Köcher- und Steinfliegen in Deutschland, die das Umweltmonitoring und die Beurteilung von Ökosystemen erleichtern soll.

Eintagsfliege Rhithrogena germanica (Foto: SNSB-ZSM).

Wasserinsekten sind vor allem bei der Bestimmung der Gewässergüte von Fließ- sowie Standgewässern von enormer Bedeutung. Viele Arten speziell der Eintags-, Köcher- und Steinfliegen sind so optimal an ihre Lebensräume angepasst, dass sie äußerst sensibel auf kleinste Veränderungen ihrer Umwelt durch beispielsweise Verschmutzung oder auch klimatische Abweichungen reagieren. Die Reaktion der Insektenfauna auf veränderte Standortbedingungen werden heute oft zum Zwecke des Umweltmonitoring genutzt. Ökologen können durch die Erfassung der vorkommenden Arten und der Artgemeinschaften innerhalb eines Biotops unter anderem Rückschlüsse auf Wasser- oder Bodenqualität ziehen und somit dessen ökologisches Gleichgewicht bewerten.

Leider gestaltet sich die Artbestimmung bei diesen sogenannten Bioindikator- oder Zeigerarten in der Praxis oft sehr schwierig. Vor allem die Larven sind selbst für Experten anhand ihrer äußeren Merkmale kaum zu unterscheiden. Artbestimmungen sind somit meist zeitaufwändig, teuer und oft fehlerhaft.

Forscher der Zoologischen Staatssammlung München geben Ökologen und Umweltgutachtern mit ihrer nun veröffentlichten Gen-Datenbank für Eintags-, Köcher- und Steinfliegen ein wichtiges Werkzeug an die Hand. Im Rahmen ihrer DNA-Barcoding Projekte haben die ZSM Wissenschaftler die genetischen Fingerabdrücke – sogenannte DNA-Barcodes – von über 2600 Exemplaren der Wasserinsekten aus den drei Gruppen erfasst. Diese konnten insgesamt 363 verschiedenen Arten zugeordnet werden, was rund zwei Dritteln aller in Deutschland vorkommenden Arten entspricht. Diese genetische ‚Bibliothek des Lebens‘ dient nun als solide Referenz für zukünftige Artbestimmungen und gibt Ökologen eine schnellere und zuverlässigere Methode zur Identifikation von Indikatorarten an die Hand.

„Die neu von uns aufgestellte DNA-Datenbank beinhaltet alle für ökologische Fragestellungen relevanten Arten“, so Jérôme Morinière, taxonomischer Koordinator an der ZSM, „unser Ziel ist der weitere Ausbau unserer „Bibliothek des Lebens“ und deren Nutzbarkeit für Prozesse im Umwelt- oder Biodiversitätsmonitoring.“

“Nischen im Fokus” – Artenvielfalt im Bayerischen Wald

“Nischen im Fokus” lautet der Titel der neuesten Ausgabe von “aviso – Zeitschrift für Wissenschaft und Kunst” des Bayerischen Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst  – unter anderem mit einem Artikel von Prof. Dr. Gerhard Haszprunar zum Kooperations-Malaisefallen-Projekt der ZSM mit dem Nationalpark Bayerischer Wald.

Zur vollständigen Ausgabe von

Bedrohte Artenvielfalt kennt keine politischen Grenzen: Internationales Forscherteam erfasst DNA-Barcodes europäischer Heuschrecken

Gefleckte Schnarrschrecke (Bryodemella tuberculata). Foto: O. Hawlitschek.

Wissenschaftler aus Deutschland, Österreich und der Schweiz haben in einem Kooperationsprojekt gemeinsam fast 80% der mitteleuropäischen Heuschrecken (Orthoptera) genetisch erfasst und stellen deren Gencodes in einer frei zugänglichen Online-Bibliothek zur Verfügung. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Forscher Anfang dieser Woche.

Zoologen aus drei Ländern und vier großen DNA-Barcoding-Initiativen haben zum weitreichenden Erfolg des Projektes beigetragen: Im Rahmen der „Barcode of Life“-Projekte aus Deutschland (BFB, GBOL), Österreich (ABOL) und der Schweiz (SwissBOL) wurden rund 750 genetische Codes, sogenannte DNA-Barcodes, von Heuschrecken erfasst, die über 120 verschiedenen Arten zugeordnet werden konnten. Dies entspricht fast 80% aller Arten in Mitteleuropa, und sogar annähernd 100% der deutschen Arten. „Für die Erforschung der Biodiversität sind solch groß angelegte Projekte unerlässlich. Nur so können wir die Artenvielfalt effektiv erfassen, und zur Erhaltung beitragen“, so der Projektkoordinator Oliver Hawlitschek von der Zoologischen Staatssammlung München. Allen DNA-Barcoding-Projekten ist eines gemeinsam: Sie verfolgen das ehrgeizige Ziel, die genetischen Fingerabdrücke aller Tierarten der Erde zu erfassen – die globale Online-Datenbank umfasst inzwischen über 160.000 Arten. Mehr Informationen zum Projekt gibt es auf www.barcoding-zsm.de. „Der genetische Barcode oder Fingerabdruck ist auch eine wichtige Basis für die evolutionsbiologische und ökologische Grundlagenforschung“, ergänzt Gerlind Lehmann, eine am Projekt beteiligte Wissenschaftlerin von der Humboldt Universität zu Berlin.

Heuschrecken sind Laien vor allem durch die sprichwörtlichen Heuschreckenplagen bekannt. Noch bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts traten solche Heuschreckenplagen auch in Bayern auf. Heute sind jedoch viele der Arten, die Plagen verursachten, sehr selten geworden, z.B. die Europäische Wanderheuschrecke, die Italienische Schönschrecke oder die Wanstschrecke. Inzwischen sind Heuschrecken in Mitteleuropa auch nicht mehr als Schadinsekten anzusehen. Stattdessen machen sich viele Heuschreckenarten nützlich, indem sie Schadinsekten wie z.B. Blattläuse vertilgen – denn keineswegs  alle Arten sind Vegetarier – oder anderen schutzwürdigen Arten wie dem Weißstorch als Nahrung dienen. Heuschrecken reagieren sehr sensibel auf Veränderungen ihres Lebensraumes. Die Wissenschaftler machen für den Artenschwund vor allem die heutige Kulturlandnutzung verantwortlich: Immer  intensivere Landwirtschaft nimmt den Heuschrecken ihre Lebensräume, vor allem artenreiche Wiesen und Weiden. Auch die Individuenzahlen von Allerweltsarten haben drastisch abgenommen. Die erst kürzlich vom Bayerischen Landesamt für Umwelt aktualisierte Rote Liste der gefährdeten Arten bewertet bereits 45% der bayerischen Heuschreckenarten als bestandsgefährdet. Sechs Arten sind zumindest in Bayern schon vollständig ausgestorben. „Gerade Heuschrecken sind für den Naturschutz von besonderer Relevanz“, ergänzt Nikola Szucsich vom österreichischen Barcoding-Projekt ABOL, „denn sie sind typisch für selten gewordene Lebensräume, die auch viele andere bedrohte Arten beherbergen.“

Publikation: Hawlitschek, O., Morinière, J., Lehmann, G.U.C., Lehmann, A.W., Kropf, M., Dunz, A., Glaw, F., Detcharoen, M., Schmidt, S., Hausmann, A., Szucsich, N.U., Caetano-Wyler, S.A., Haszprunar, G. (2016): DNA barcoding of crickets, katydids, and grasshoppers (Orthoptera) from Central Europe with focus on Austria, Germany, and Switzerland. Molecular Ecology Resources. doi: 10.1111/1755-0998.12638

Schädlingen in die Gene geschaut: Über 1000 Pflanzenwespen-Arten genetisch erfasst

Corynis obscura F. in Geranium flower

Keulhornblattwespe Corynis obscura in Storchschnabelblüte (Foto: S. Schmidt)

Die Zoologische Staatssammlung München (SNSB-ZSM) und das Senckenberg Deutsche Entomologische Institut (SDEI) haben einen großen gemeinsamen wissenschaftlichen Erfolg zu verzeichnen. Die Wissenschaftler entschlüsselten nun den genetischen Code von über 1000 Pflanzenwespen-Arten (Symphyten) und stellen diesen in einer Online-DNA-Bibliothek frei zur Verfügung. Ihre Ergebnisse stellen sie diese Woche in einer Publikation vor.

Sie sind zwar nicht so bekannt wie ihre oft schwarz-gelb gefärbten Verwandten aus der Gruppe der ‚echten‘ Wespen, aber zumindest bei Land- und Forstwirten ebenso unbeliebt: Die Pflanzenwespen oder wissenschaftlich Symphyta. Deren gefräßige Larven ernähren sich bis auf wenige Ausnahmen ausschließlich von Pflanzen und einige Arten können in der Land- und Forstwirtschaft sowie im Zierpflanzenanbau großen Schaden anrichten. Anhand der nun entschlüsselten Gencodes, die in einer frei zugänglichen Internet-Bibliothek zur Verfügung stehen, können die Schädlinge in Zukunft rasch und sicher und vor allem bereits in einem frühen Entwicklungsstadium als Larven selbst durch Nicht-Spezialisten identifiziert werden. Die DNA-Datensammlung ist damit auch von großem wirtschaftlichem Nutzen bei der Schädlingsbekämpfung.

Die genetische Erfassung der Pflanzenwespen erfolgte im Rahmen eines Kooperationsprojektes der Zoologischen Staatssammlung München und des Senckenberg Deutschen Entomologischen Instituts in Müncheberg. Insgesamt lagern in diesen beiden Sammlungen weit über 100.000 präparierte Pflanzenwespen. Seit 2010 werteten die Symphyten-Forscher der beiden Institute 5360 Individuen aus, welche 1030 verschiedenen Arten zugeordnet werden konnten, darunter etwa 300 außereuropäische Formen.  „Die Erfassung dieser großen Artenzahl war nur durch die umfangreichen Sammlungsbestände der beiden beteiligten Institutionen und die tatkräftige Unterstützung durch zahlreiche externe Fachkollegen möglich“, freut sich Stefan Schmidt, Sektionsleiter an der ZSM. Jetzt liegen Daten für etwa 600 deutsche Arten vor, das sind 75% der heimischen Pflanzenwespenfauna. „Das Projekt ist ein großer wissenschaftlicher Erfolg und ein Meilenstein auf dem Weg zu einer umfassenden Genbibliothek der Pflanzenwespen, der in Müncheberg weiter beschritten wird“, so Andreas Taeger vom SDEI.

Die Pflanzen- oder auch Sägewespen sind eine von Taxonomen bislang eher vernachlässigte Insektengruppe innerhalb der sogenannten Hautflügler. Grund hierfür ist die oft schwierige Bestimmung der Tiere anhand ihrer äußeren Merkmale, da sich viele Arten auch bei genauerem Hinsehen kaum voneinander unterscheiden oder die Merkmale innerhalb einer Art sehr variabel sind. Für solche Gruppen eignet sich die DNA-Barcoding-Methode zur Artbestimmung ganz besonders. Die genetischen Daten bilden zudem eine wichtige Grundlage für weiterführende Untersuchungen zur Klärung der Taxonomie und Systematik dieser Gruppe. Die Gensequenzierung erfolgte im Rahmen der Projekte “Barcoding Fauna Bavarica” und “German Barcode of Life”. In diesen Projekten erfassen die Münchener Forscher den Gencode aller bayerischen, beziehungsweise deutschen Tierarten in einer Online-Bibliothek und stellen ihn damit für Fachleute zur Verfügung.

Publikation: Schmidt, S., Taeger, A., Morinière, J., Liston, A., Blank, S. M., Kramp, K., Kraus, M., Schmidt, O., Heibo, E., Prous, M., Nyman, T., Malm, T. and Stahlhut, J. (2016), Identification of sawflies and horntails (Hymenoptera, ‘Symphyta’) through DNA barcodes: successes and caveats. Mol Ecol Resour. doi:10.1111/1755-0998.12614

GBOL von der UN-Dekade Biologische Vielfalt ausgezeichnet

un-dekade_logo_ausgezeichnetes-projekt-2016_280x280pxIm Sommer 2016 wurde das  “German Barcode of Life”  Projekt (GBOL) zum “Ausgezeichneten Projekt der UN-Dekade Biologische Vielfalt” gewählt  – eine Auszeichnung der deutschen UN-Dekade für den besonderen Einsatz zur Erhaltung und Vermittlung von Biodiversität.

Um weltweit auf die Bedeutung von Biodiversität aufmerksam zu machen, haben die Vereinten Nationen die Jahre 2011 bis 2020 zur UN-Dekade für biologische Vielfalt erklärt. Die Aktivitäten zur UN-Dekade in Deutschland werden  gefördert vom Bundesumweltministerium (BMUB) und dem Bundesamt für Naturschutz (BfN). Die deutsche UN-Dekade zeichnet Projekte aus, die sich in besonderer Weise für den Erhalt und die Vermittlung der biologischen Vielfalt einsetzen – so auch das GBOL-Projekt.

Stellvertretend für alle GBOL-Partner nahmen Prof. Bernhard Misof, Dr. Matthias Geiger, Björn Rulik und Laura von der Mark im August die Auszeichnung im Museum König in Bonn von Dr. Christiane Paulus, Leiterin der Unterabteilung Naturschutz im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit entgegen.

http://www.undekade-biologischevielfalt.de/

Auf dem Weg nach Norden: Immer mehr Mittelmeerspinnen in Deutschland heimisch

spinnen_pm_web

Die Mittelmeerarten Mildes Dornfingerspinne (Cheiracanthium mildei, links) und die auffällige Kräuseljagdspinne (Zoropsis spinimana, rechts) sind inzwischen auch in Münchner Kellern zu Hause (Fotos: Jörg Spelda, ZSM).

Die Forscher von der Zoologischen Staatssammlung München leisten erneut einen wertvollen Beitrag zur weltweiten Gen-Bibliothek des Lebens. Sie entschlüsselten nun den genetischen Code der auffälligen Kräuseljagdspinne (Zoropsis spinimana), die kürzlich erstmals in München entdeckt wurde.

Die Artgenossen des Münchner Neubürgers sind ursprünglich als wärmeliebende Spinnenart in den Wäldern des Mittelmeerraums beheimatet. Erst seit ein paar Jahren werden immer wieder auch Exemplare weiter nördlich gesichtet; seit 2005 gibt es die recht große und auffällige Kräuseljagdspinne auch in Deutschland. Die expansive Art hat inzwischen das gesamte Oberrheintal besiedelt und ist seit neuestem eben auch in München zu Hause. Im Gegensatz zu ihren Verwandten in Südeuropa lebt die Art in Deutschland vorwiegend in Gebäuden. Mit ihren zwei Zentimetern Durchmesser ist Zoropsis spinimana zwar durchaus mit einer Tarantel vergleichbar, eine Gefahr für den Menschen bestehe jedoch nicht, bekräftigt Jörg Spelda von der Zoologischen Staatssammlung München. Die Spinne sei nicht wirklich aggressiv, außerdem wäre ein Biss vergleichsweise harmlos, so der Experte.

Etwas angriffslustiger ist da die ebenfalls aus dem Mittelmeerraum nach Deutschland einge-wanderte Mildes Dornfingerspinne (Cheiracanthium mildei). Die kleine, unauffällige Schwester des Ammen-Dornfingers könne durchaus auch mal zubeißen, wobei ihr Biss mit dem Stich einer Wespe oder Biene vergleichbar ist, so Spelda. Auch in München gab es bereits einen Bissunfall, der Übeltäter wurde anschließend der ZSM übergeben und befindet sich inzwischen in deren Sammlungsmagazinen an der Münchhausenstraße in München-Obermenzing. Auch diese Spinne wurde im Rahmen des DNA-Barcoding-Projektes der ZSM  genetisch bestimmt und ihr DNA-Code in eine globale Gendatenbank aufgenommen. Die genetischen Befunde bestätigten eindeutig die Zugehörigkeit zur Mittelmeerart Cheiracanthium mildei.

„In Zukunft ist vermehrt mit der Einwanderung wärmeliebender Arten zu rechnen“, äußert sich Stefan Schmidt, Koordinator der DNA-Barcoding-Projekte an der ZSM. Seine Arbeitsgruppe hat die vollständige genetische Erfassung der bayerischen Tierwelt zum Ziel. Hierzu nutzen die Wissenschaftler bereits seit Jahren die sogenannte DNA-Barcoding-Methode, die sich zur sicheren Artbestimmung bei Tieren bestens eignet.

Es wimmelt im Nationalpark Bayerischer Wald

Erzwespe Mymar pulchellum

Erzwespe Mymar pulchellum

„Die Artenfülle hat uns alle überrascht“, sind sich Prof. Dr. Gerhard Haszprunar, Generaldirektor der Staatli­chen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns (SNSB), und Dr. Franz Leibl, Leiter der Nationalparkver­waltung Bayerischer Wald, einig. Im Rahmen eines weltweiten Kooperationsprojekts zur genetischen Erfas­sung von Insekten wurden im Bayerischen Wald während der Sommermonate nur eines Jahres insgesamt über 2.500 verschiedene Insektenarten genetisch erfasst – und das mit nur einer einzigen Insektenfalle.

Als Teil eines internationalen Insektenfang-Projekts (Global Malaise Programm, GMP) wurde im Sommer 2012 im Nationalpark Bayerischer Wald eine sogenannte Malaise-Falle aufgestellt. Malaise-Fallen sind zeltartige Gebilde, die sich besonders gut zur Erfassung der Biodiversität flugaktiver Insekten eignen. Während der nur fünf Monate dauernden Fangzeit wurden fast 30.000 Insekten gesammelt, die 2.530 Arten zugeordnet werden konnten. „Eine enorme Zahl, wenn man bedenkt, dass in den bisherigen Langzeiterfassungen für den Nationalpark erst 3257 Insektenarten sicher nachgewiesen wurden“, freut sich Dr. Franz Leibl, Leiter der National­parkverwaltung „Gerade im Hinblick auf das ansonsten weithin beobachtete Artensterben ist dieses Ergeb­nis sehr erfreulich. Nicht zu Unrecht gilt der Nationalpark Bayerischer Wald als eines der 30 Hotspot Gebiete für biologische Vielfalt in Deutschland.“ Schätzungen gehen derzeit von über 7.000 Insektenarten für den Nationalpark Bayerischer Wald aus.

Und eine weitere Überraschung zeigt die lange Liste der Arten aus dem Bayerischen Wald: Knapp die Hälfte der bestimmten Arten ist nur jeweils durch ein einziges Exemplar vertreten – sogenannte Singletons. „Dies zeigt uns deutlich, dass es weit mehr seltene Arten gibt, als bisher angenommen“, so Dr. Stefan Schmidt von der Zoologischen Staatssammlung München. Gerade solche Funde, wie die sehr seltene und mikroskopisch kleine Erzwespe Mymar pulchellum, freuen den Hautflügler-Experten Schmidt ganz besonders: „Es wird viel von Biodiversität geredet, dabei sind viele Arten vor allem kleinerer Insekten noch unentdeckt, und das sogar in unseren heimischen Wäldern“.

Initiator des internationalen Insektenfang-Projekts (Global Malaise Programm, GMP) ist der kanadische For­scher Paul Hebert, der sich zum Ziel gesetzt hat, weltweit alle Tierarten genetisch zu erfassen, und zu die­sem Zweck in Kanada ein großes Analyselabor aufgebaut hat. Im GMP wurde seit 2012 an 50 Standorten über den gesamten Erdball verteilt jeweils eine Malaise-Falle aufgestellt, deren Fangergebnisse nun kurz vor der endgültigen Auswertung stehen. Aus dem Projekt sollen insgesamt rund 1 Millionen Insektenproben genetisch erfasst werden. Zur Bestimmung der Arten werden sogenannte DNA-Barcodes erstellt: DNA-Sequen­zen, die für jede Art einzigartig sind. Spannendes Ziel des Ma­laise-Programms ist der globale Vergleich der Insektenvielfalt auf der Erde. Als optimaler Standort für Mitteleuropa wurde als naturnahe Waldlandschaft der Nationalpark Bayerischer Wald ausgewählt.

DNA-Barcoding: Wertvoller Zeitgewinn für Forensiker

Die Kaisergoldfliege Lucilia caesar gehört zu den Schmeißfliegen und besiedelt Leichen bereits in einem frühen Stadium (Foto: SNSB-ZSM).

Die Kaisergoldfliege Lucilia caesar gehört zu den Schmeißfliegen und besiedelt Leichen bereits in einem frühen Stadium (Foto: SNSB-ZSM).

Auf dem 13. Internationalen Meeting der European Association for Forensic Entomology in Budapest, Ungarn Ende Mai 2016 haben Wissenschaftler der ZSM erste Ergebnisse aus ihrer Kooperation mit dem  Kriminaltechnischen Institut des Bayerischen Landeskriminalamts  (BLKA) präsentiert. Die innovative Methode des DNA-Barcoding zur schnellen und exakten Artbestimmung könnte zukünftig eine wertvolle Ergänzung für die Arbeit der forensischen Entomologen sein.

Forensische Entomologie
Grundsätzlich machen sich die Forensiker der Kriminalpolizei die Insektenbesiedelung eines Leichnams zu Nutze. Die Artzusammensetzung der vorgefundenen Insektengesellschaft kann helfen, die Mindestliegezeit einer Leiche zu bestimmen. Das Alter der an einer Leiche aufgefundenen Insektenlarven lässt ebenfalls Aussagen über die Liegezeit zu. Nachteil der Methode: Die klassische Artbestimmung der Insekten anhand ihrer äußerlichen Merkmale ist in der Regel sehr zeitaufwändig. Gerade die Eier und Larven der relevanten Insektenarten lassen sich teilweise nur sehr schwer bestimmten Arten zuordnen. Häufig müssen sie erst im Labor erbrütet werden, was je nach Entwicklungsstand bis zu drei Wochen dauern kann.

DNA-Barcoding verschafft Zeitvorsprung
Genau hier kommen die Münchner Forscher ins Spiel: Seit 2015 arbeiten diese in enger Kooperation mit dem Sachgebiet 204 des Kriminaltechnischen Instituts des BLKA an einer genetischen Referenzdatenbank von forensisch relevanten Insekten. Die Datenbank umfasst inzwischen die DNA-Barcodes von rund 1000 Individuen mit 80 Arten, die von einem Versuch mit Schweinekadavern stammen, und wurde nun erstmals einem Praxistest unterzogen. DNA-Barcodes sind DNA-Sequenzen, die für jede Art einzigartig sind und so eine exakte Artbestimmung zulassen.

Für den Test stellte die Münchner Rechtsmedizin dem DNA-Barcoding Team der ZSM Insektenproben von 30 menschlichen Leichen zur Verfügung. In einer Vergleichsstudie wurden daraus zunächst die DNA-Barcodes von 400  von Hand vorsortierten Insekten erstellt. Demgegenüber bedienten sich die Münchner Forscher einer neuen Methode in der Sequenziertechnik: dem Next Generation Sequencing  – kurz NGS –, bei dem eine gemischte Massenprobe als Ganzes untersucht wird  – ohne mühsame und zeitaufwändige Vorsortierung. So lassen sich alle vorhandenen Arten aus einem „Arten-Gemisch“ in einem einzigen Analysegang nachweisen.

Mit durchschlagendem Erfolg: In nur 30 Arbeitsstunden konnten aus der Mischprobe 31 verschiedene DNA-Barcodes identifiziert und ebenso vielen unterschiedlichen Insektenarten zugeordnet werden. In Vergleich dazu entsprachen nur 13 davon den Referenzbarcodes aus den vorher von Hand, nach äußerlichen Merkmalen vorsortierten Exemplaren. Der Versuch zeigte deutlich das vielversprechende Potential der NGS-Methode: Sie könnte Forensikern ein wertvolles Werkzeug zur schnellen und zuverlässigen Artbestimmung an die Hand geben. „Die neue Methode  könnte uns einen wichtigen Zeitgewinn bei der Aufklärung von Tötungsdelikten verschaffen“ zeigen sich die forensischen Entomologen Dr. Frank Reckel und Dr. Jan-Eric Grunwald vom Kriminaltechnischen Institut des BLKA vom Ergebnis angetan.

Münchner Forscher wollen Sprung in die Praxis
Ziel ist nun der weitere Ausbau einer forensischen, genetischen Referenzbibliothek für Zentraleuropa. „Wir hoffen sehr auf weitere Kooperationen  mit anderen  forensischen Institutionen, insbesondere auf die Bereitstellung von DNA-Referenzen aus ganz Europa“ so ZSM Forscher Jérôme Morinière. In der nun zweiten Phase der DNA-Barcoding Projekte an der Zoologischen Staatssammlung München stehen praktische Anwendungen der Methode im Vordergrund.