Neues Science-Paper: Operation gelungen, Patient tot?

Die UN-Konvention zur globalen Biodiversität (CBD) beinhaltet neben dem dringend nötigen Schutz- und Forschungsauftrag auch eine bittere, ja für so manche Forschungsprojekte und Arten wohl tödliche Pille: Den im Nagoya-Protokoll geregelten Vorteilsausgleich für genetische Ressourcen, das so genannte Access and Benefit Sharing (ABS).

Was arg nach Vollbremsung klingt – ist es auch. Jedenfalls für unsere nicht-kommerzielle Artenforschung. Es war gut gemeint, biodiversitätsreiche, meist südliche Länder, für den Zugang zu ihren genetischen Schätzen, also heilenden oder sonst wie industriell verwertbaren oder lukrativen Substanzen und Organismen, mit Geld oder Gegenleistungen zu kompensieren.

Doch allein der Versuch, den ausufernden ABS-Formalitäten Genüge zu tun, hat sich zu einem Albtraum für die meist eh schon mittellosen, idealistischen und immer seltener werdenden Grundlagenforscher entwickelt. Selbst wenn wir ausländisches Material nur für Stammbaumanalysen nutzen oder neue Tierarten molekular beschreiben – als Basis und Service für die globale Wissenschaft und üblicherweise sowieso gemeinsam mit Forschern aus den Herkunftsländern – unterliegen wir denselben Regeln, denselben bürokratischen Hürden und oft denselben Erwartungen nach geldwertem Ausgleich unserer „Nutzung nationaler genetischer Ressourcen“ wie riesige Pharmakonzerne.

Felimare juliae, eine in internationaler Kooperation beschriebene Meeresnacktschnecke aus Brasilien

Moderne, hochwertige taxonomische Arbeit, Revisionen größerer, weit verbreiteter, gar zirkumtropischer Gruppen, phylogenetische Rekonstruktionen, Analysen der Evolution über Ländergrenzen und Kontinente hinweg? Also das, was wir Profi-Taxonomen und Systematiker früher bevorzugt machten… „Nicht mehr möglich, vergiss es!“, heißt es nun oft. Während die Artenvielfalt gerade in den biodiversitätsreichen tropischen Ländern förmlich zerrinnt, weichen wir notgedrungen auf die wenigen Länder aus, die das Nagoya-Protokoll (noch?) nicht unterzeichnet haben oder auf ABS-Regelungen verzichten. 177 internationale Autoren, einschließlich vieler Editoren des “Mega-Journals” Zootaxa wie mir, schlagen deshalb vor, nicht-kommerzielle Forschung von den unserer Meinung nach völlig überzogenen und kontraproduktiven Restriktionen zu entbinden.

Ganz im Sinne der Grundgedanken der CBD: Schleunigst die globale Biodiversität erforschen und erhalten! Solange es sie noch gibt.

Prof. Dr. Michael Schrödl, ZSM

Artikel: Prathapan, K. D., Pethiyagoda, R., Bawa, K. S., Raven, P. H., Rajan, P. D. et al. (2018). When the cure kills—CBD limits biodiversity research. Science, 360(6396), 1405-1406.

Mehr zum Thema “Mensch macht Natur und sich selbst kaputt” auf: www.biodiversitot.de