Da ist er also, Aiteng marefugitus, der erste Meeresnacktschneck an Land! Auf einer von tropischem Urwald bedeckten Insel im Palau Archipel fanden unsere japanischen Kollegen ein paar kleine seltsame Nacktschnecken. Sie erinnerten entfernt an heimische, „nackige“ Landlungenschnecken, tragen aber keine typisch länglichen Tentakel mit Stielaugen darauf.
Unsere anatomisch-histologischen und molekularen Daten (Kano et al. 2015) belegen, dass die neue, terrestrische Schneckenart zur Familie der Aitengidae gehört. Dies ist eine erst 2009 entdeckte Gruppe von Meeresschnecken (Acochlidien), die die Gezeitenzone als Lebensraum eroberte. Der Landgang erfolgte unseren molekularen Analysen nach direkt vom Meer über die Gezeitenzone ans Land. Also nicht, wie sonst bei Schalenschnecken üblich, über Süßgewässer als Übergangs-Lebensraum. Wie ihre marinen Vorfahren ernährt sich die neue Nacktscheckenart vermutlich von Eiern oder Puppen von Insekten oder auch von Eiern anderer Schnecken. Vor Wasserverlust ist sie in der feuchten Streu der Regenwälder geschützt. Aiteng marefugitus besitzt außerdem ein speziell ans Landleben angepasstes Exkretionssystem. Diese erste Land-Nacktschnecke ganz ohne Lunge absorbiert wohl ausreichend Sauerstoff über die Körperoberfläche.
Acochliden sind eine der morphologisch und ökologisch vielfältigsten Schneckengruppen, bei übersichtlicher Artenzahl. Deshalb haben wir sie vor Jahren als „Modellgruppe“ für intensivere, vergleichend anatomisch evolutionäre Forschung ausgewählt. Dass Acochlidien offensichtlich den Landgang schafften, überraschte selbst uns ein wenig.
KANO, Y., NEUSSER, T.P., FUKUMORI, H., JÖRGER, K.M. & SCHRÖDL, M. 2015. Sea-slug invasion of the land. Biological Journal of the Linnean Society 116: 253-259. (http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/bij.12578/abstract)