Zwei Molluskenforscher der ZSM befinden sich auf einer der größten Expeditionen unserer Zeit zur Erfassung der Biodiversität (www.ourplanetreviewed.org). Zusammen mit 109 Forschern aus 20 Ländern durchstreifen sie Papua-Neuguinea um neue Arten zu entdecken. Aufsammlungen vom Gipfel des Mt. Wilhelm bis in die Tiefe der Bismarcksee werden umfassende Daten zu einem Zentrum globaler Artenvielfalt liefern.
Rempi, frühmorgens um 01:30 Uhr: Stille liegt über der Bucht. Eine Handvoll Wissenschaftler sucht im Schein ihrer Stirnlampen nach Tierchen in der Gezeitenzone, die sich tagsüber vor dem Sonnenlicht und der Hitze verstecken und erst zur Nachtzeit aktiv sind. Klein und unscheinbar, doch wissenschaftlich besonders wertvoll: Timea Neusser und Bastian Brenzinger entdecken bleiche Schneckchen der erst kürzlich etablierten Familie der Aitengidae. Einige Exemplare sehen einer bereits bekannten Art ähnlich, andere scheinen eher einer neuen Art anzugehören. Integrativ morphologische und molekulare Untersuchungen im Labor werden diese Fragen klären. Hier im Feld ist Zeit für Beobachtungen: Im Spülsaum des Meeres kriechen amphibische Aiteng(Abb. 1) über feuchtes Holz und Korallenbruch. Sie sind auf der Suche nach Eigelegen anderer Molluskenarten, an denen sie fressen! Ebenfalls zum allerersten Mal ertappen sie die Eierdiebe bei der Paarung.
Den Tag nutzen die jungen Forscher um in Küsten-nahen, schnell fließenden Bächen nach Süßwasser-Nacktschnecken zu suchen (Abb. 2). In der Tat finden sie 30 Tiere der GattungAcochlidium, die „tierischen Blättern“ ähneln. Doch auchAcochlidium ernährt sich von Eigelegen (Abb. 3), in diesem Fall von beschalten Schneckenarten, die in denselben Flüssen vorkommen. Zur Paarung vor der Kamera ließen sich die mit riesigen bestachelten Kopulationsorganen ausgestatteten Tiere bisher nicht bewegen. Immerhin ließen sie sich erstmals bei der Eiablage beobachten.
Doch der Tag hat 24 Stunden – und eigentlich hatte Dr. Philippe Bouchet (Naturhistorisches Museum Paris, MNHN) die beiden Jungforscher ja aufgrund ihrer Expertise für die marine Sandlückenfauna eingeladen. Im Rahmen eines DFG geförderten Forschungsprojektes analysieren sie so viele Sandproben verschiedener Lokalitäten und Tiefen wie möglich nach mikroskopisch winzigen Schnecken. Bisher fanden sich 11 Sandlücken bewohnende Schneckenarten, darunter „natürlich“ auch etliche neue Arten. Weder groß noch bunt, dafür aber skurril: Die rätselhafte, wurmförmige “aff. Rhodope crucispiculata“ mit einem dichten internen „Pelz“ kreuzförmiger Kalkstacheln (Abb. 4), die selbst Spezialisten kaum als Schnecke erkennen.
Literatur:
Brenzinger, B., Neusser, T.P., Jörger, K. & M. Schrödl (2011) Integrating 3D-micromorphology and molecules: natural history of the Pacific freshwater slug genus Strubellia Odhner, 1937 (Heterobranchia, Acochlidia, Acochlidiidae). Journal of Molluscan Studies 77: 351-374.
Brenzinger, B., Wilson, N.G. & M. Schrödl (2011) 3D microanatomy of a gastropod “worm”, Rhodope rousei sp. nov. from southern Australia. Journal of Molluscan Studies 77:375-387.
Neusser, T.P., Fukuda, H., Jörger, K., Kano, Y. & M. Schrödl (2011) Sacoglossa or Acochlidia? 3D-reconstruction, molecular phylogeny and evolution of Aitengidae (Heterobranchia, Gastropoda). Journal of Molluscan Studies 77: 332-350.
Neusser, T.P., Jörger, K. & M. Schrödl (2011) Cryptic speciation in tropic sands? Interactive 3D anatomy, molecular phylogeny and evolution of meiofaunal Pseudunelidae (Gastropoda, Acochlidia). PLoS ONE 6(8):e23313.doi:10.1371/ journal.pone.0023313.