Archiv für den Monat: Dezember 2012

Uhu darf in die Freiheit – dank DNA-Test

Neuer Erfolg im Barcoding-Projekt der Zoologischen Staatsammlung München

Forscher der Zoologischen Staatsammlung München klärten mit Hilfe genetischer Methoden die Herkunft eines Uhus auf. Vor etwa einem Jahr landete die Eule in einer Auffangstation, weil sie im Stadtgebiet von Duisburg und Mülheim/Ruhr offenbar die Nähe zum Menschen suchte und sehr zutraulich wirkte. Wahrscheinlich wurde das Tier von Menschen aufgezogen. Seither lebt der Uhu in einer Greifvogelauffang- und Wiederauswilderungsstation im Sauerland. Das Tier zeigte eine für heimische Uhus untypische Gefiederfarbe. Deshalb vermutete der Leiter dieser Station, Winfried Limpinsel, dass es sich um ein entflogenes Tier einer asiatischen Schwesterart des Uhus handelt. Eine Auswilderung kann unter diesen Voraussetzungen nicht genehmigt werden. Da Naturschützer diese Auswilderung jedoch forderten, wandte sich Dr. Randolph Kricke, Artenschutzbeauftragter vom Amt für Naturschutz und Grünplanung der Stadt Duisburg, an die Zoologische Staatssammlung in München, mit der Bitte, die Herkunft des Tieres festzustellen.

Der Genforscher Jerome Moriniere klärte die Zugehörigkeit des Tieres durch eine genetische Untersuchung eindeutig auf. Dabei verwendete er winzige Gewebeproben aus den Federkielen der Eule und griff zum Vergleich auch auf gespeicherte Genproben in der weltweiten Gen-Datenbank des „Barcoding“-Projektes zurück. Er konnte zeigen, dass es sich bei dem fraglichen Uhu einwandfrei um einen europäischen Uhu (Bubo bubo) handelt und nicht um einen importierten Bengalenuhu (Bubo bengalensis) aus Asien. Das Amt für Umwelt und Grün der Stadt Duisburg prüft derzeit die Chancen, den Uhu auf ein Leben in Freiheit vorzubereiten, oder – falls das nicht gelingt – für ein Zuchtprogramm im Zoo Duisburg einzusetzen.
Beim Projekt „Barcoding Fauna Bavarica“ untersuchen Wissenschaftler der Zoologischen Staatsammlung einen bestimmten Genabschnitt, das so genannte COI-Gen, aller einheimischen Tierarten und speichern diesen in einer Online-Datenbank. Dieser Genabschnitt besitzt dabei für eine Art eine ähnliche Bedeutung wie ein Barcode auf einem Lebensmittel im Supermarkt. Das bayerische Projekt ist seit 2009 Teil des Verbundprojektes „International Barcode of Life (iBOL)“ mit Sitz in Guelph/Kanada, welches genetische Barcodes aller Tierarten weltweit erfasst. Mit dieser Gendatenbank können Wissenschaftler künftig unbekannte Arten kostengünstig, schnell und über das Internet identifizieren. Seit 2012 wird das bayerische Projekt durch das umfassende German Barcode of Life-Projekt in Zusammenarbeit mit mehreren deutschen Forschungsinstituten ergänzt, das nun die gesamte Flora und Fauna Deutschlands im Visier hat.
Der Fall des Duisburger Uhus zeigte beispielhaft, wie das Barcoding künftig funktionieren wird. Experten aus Zoos oder aus anderen Forschungsbereichen kooperieren mit wissenschaftlichen Institutionen wie der Zoologischen Staatsammlung München, um Arten einwandfrei zu identifizieren. Für den Uhu bedeutet dieses Ergebnis zudem einen Fahrschein in die Freiheit, für ihn ein willkommenes Weihnachtsgeschenk.
Der Uhu ist die größte Eulenart der Welt und zählt in Deutschland zu den streng geschützten Vogelarten. Sein Bestand ist in Deutschland vor allem durch Lebensraumverluste stark zurückgegangen. Seit zwei Jahrzehnten erholen sich die Bestände wieder, zudem konnte der Uhu in verschiedenen Regionen Deutschlands neu angesiedelt werden. Auch im Ruhrgebiet ist er auf dem Vormarsch und brütet an der einen oder anderen Stelle bereits wieder.
Ansprechpartner
Jerome Moriniere, Zoologische Staatsammlung München
moriniere@zsm.mwn.de, Tel. 089-8107121
Dr. Randolph Kricke, Amt für Umwelt und Grün, Untere Landschaftsbehörde, Bereich Artenschutz, Stadt Duisburg
(R.Kricke@stadt-duisburg.de), Tel. 0203-283 4695

„Mega-Expedition“ zu einem Zentrum der Biodiversität (Papua Niugini 2012-2013)

Zwei Molluskenforscher der ZSM befinden sich auf einer der größten Expeditionen unserer Zeit zur Erfassung der Biodiversität (www.ourplanetreviewed.org). Zusammen mit 109 Forschern aus 20 Ländern durchstreifen sie Papua-Neuguinea um neue Arten zu entdecken. Aufsammlungen vom Gipfel des Mt. Wilhelm bis in die Tiefe der Bismarcksee werden umfassende Daten zu einem Zentrum globaler Artenvielfalt liefern.

Rempi, frühmorgens um 01:30 Uhr: Stille liegt über der Bucht. Eine Handvoll Wissenschaftler sucht im Schein ihrer Stirnlampen nach Tierchen in der Gezeitenzone, die sich tagsüber vor dem Sonnenlicht und der Hitze verstecken und erst zur Nachtzeit aktiv sind. Klein und unscheinbar, doch wissenschaftlich besonders wertvoll: Timea Neusser und Bastian Brenzinger entdecken bleiche Schneckchen der erst kürzlich etablierten Familie der Aitengidae. Einige Exemplare sehen einer bereits bekannten Art ähnlich, andere scheinen eher einer neuen Art anzugehören. Integrativ morphologische und molekulare Untersuchungen im Labor werden diese Fragen klären. Hier im Feld ist Zeit für Beobachtungen: Im Spülsaum des Meeres kriechen amphibische Aiteng(Abb. 1) über feuchtes Holz und Korallenbruch. Sie sind auf der Suche nach Eigelegen anderer Molluskenarten, an denen sie fressen! Ebenfalls zum allerersten Mal ertappen sie die Eierdiebe bei der Paarung.

Den Tag nutzen die jungen Forscher um in Küsten-nahen, schnell fließenden Bächen nach Süßwasser-Nacktschnecken zu suchen (Abb. 2). In der Tat finden sie 30 Tiere der GattungAcochlidium, die „tierischen Blättern“ ähneln. Doch auchAcochlidium ernährt sich von Eigelegen (Abb. 3), in diesem Fall von beschalten Schneckenarten, die in denselben Flüssen vorkommen. Zur Paarung vor der Kamera ließen sich die mit riesigen bestachelten Kopulationsorganen ausgestatteten Tiere bisher nicht bewegen. Immerhin ließen sie sich erstmals bei der Eiablage beobachten.

Doch der Tag hat 24 Stunden – und eigentlich hatte Dr. Philippe Bouchet (Naturhistorisches Museum Paris, MNHN) die beiden Jungforscher ja aufgrund ihrer Expertise für die marine Sandlückenfauna eingeladen. Im Rahmen eines DFG geförderten Forschungsprojektes analysieren sie so viele Sandproben verschiedener Lokalitäten und Tiefen wie möglich nach mikroskopisch winzigen Schnecken. Bisher fanden sich 11 Sandlücken bewohnende Schneckenarten, darunter „natürlich“ auch etliche neue Arten. Weder groß noch bunt, dafür aber skurril: Die rätselhafte, wurmförmige “aff. Rhodope crucispiculata“ mit einem dichten internen „Pelz“ kreuzförmiger Kalkstacheln (Abb. 4), die selbst Spezialisten kaum als Schnecke erkennen.

Fig. 4. Slug, not worm: mesopsammic rhodopemorph

Literatur:

Brenzinger, B., Neusser, T.P., Jörger, K. & M. Schrödl (2011) Integrating 3D-micromorphology and molecules: natural history of the Pacific freshwater slug genus Strubellia Odhner, 1937 (Heterobranchia, Acochlidia, Acochlidiidae). Journal of Molluscan Studies 77: 351-374.

Brenzinger, B., Wilson, N.G. & M. Schrödl (2011) 3D microanatomy of a gastropod “worm”, Rhodope rousei sp. nov. from southern Australia. Journal of Molluscan Studies 77:375-387.

Neusser, T.P., Fukuda, H., Jörger, K., Kano, Y. & M. Schrödl (2011) Sacoglossa or Acochlidia? 3D-reconstruction, molecular phylogeny and evolution of Aitengidae (Heterobranchia, Gastropoda). Journal of Molluscan Studies 77: 332-350.

Neusser, T.P., Jörger, K. & M. Schrödl (2011) Cryptic speciation in tropic sands? Interactive 3D anatomy, molecular phylogeny and evolution of meiofaunal Pseudunelidae (Gastropoda, Acochlidia). PLoS ONE 6(8):e23313.doi:10.1371/ journal.pone.0023313.